Mehr Effizienz im Schiedsverfahren – die neue LCIA-Schiedsordnung
Effizienter, schneller, fairer – unter diesem Motto stehen die neuen Rules of Arbitration des London Court of Arbitration (LCIA-Schiedsordnung).
Effizienter, schneller, fairer – unter diesem Motto stehen die neuen Rules of Arbitration des London Court of Arbitration (LCIA), die zum 1. Oktober in Kraft getreten sind. Mit der Novellierung tragen die Londoner den jüngsten Veränderungen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit Rechnung und erneuern die zuletzt vor 15 Jahren geänderten Schiedsregeln. Neben der ICC in Paris, der SIAC in Singapur, der HKIAC in Hong Kong und der ICDR in den USA ist die LCIA in London eine der wichtigsten Institutionen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit.
Die Neuerungen umfassen im Wesentlichen die Einführung eines Eilschiedsrichters für dringliche Anfragen, die Vereinfachung der Verfahrenszusammenlegung, die Kodifikation von ethischen Verhaltensregeln für die Parteien und ihre Vertreter und die Ausstattung des Schiedsgerichts mit Sanktionsmöglichkeiten gegen die Parteien.
Die wichtigsten Änderungen im Einzelnen sind:
Die Einführung des Eilschiedsrichters (Emergency Arbitrator)
Dieser kann vor der Bildung eines regulären Schiedsverfahrens ernannt werden und im Zeitraum zwischen Entstehen des Streitfalls und der Konstituierung des Schiedsgerichts Entscheidungen über zeitkritische Fragen treffen. Das Eilschiedsverfahren ist dabei kein Ersatz für die Bildung des regulären Schiedsgerichts, sondern dient der vorläufigen Sicherung oder dem Erlass von Eilmaßnahmen, um den Parteien den Gang vor staatliche Gerichte für einstweiligen Rechtsschutz zu ersparen.
Die Entscheidungen des Eilschiedsrichters können vom Schiedsgericht bestätigt oder widerrufen werden. Zur Anwendung kommt der Eilschiedsrichter nur für Schiedsvereinbarungen mit Datum nach dem 1. Oktober 2014 oder bei ausdrücklicher Vereinbarung.
Eine Verpflichtungserklärung der Schiedsrichter
Die Schiedsgerichtsverfahren sollen effizient, schnell und fair ablaufen. Die ausgewählten Schiedsrichter müssen vor ihrer Ernennung versichern, dass
„they are ready, willing and able to devote sufficient time, diligence and industry to ensure the expeditious and efficient conduct of the arbitration″.
Die Schiedsrichter müssen darüber hinaus eine Erklärung zur Unabhängigkeits- und Unparteilichkeitsverpflichtung abgeben.
Verhaltensrichtlinien für die Parteien und ihre Vertreter
Für ein zügiges Verfahren sind die Parteien und das Schiedsgericht angehalten, innerhalb von 21 Tagen in Kontakt zu treten, nachdem sich das Schiedsgericht konstituiert hat. Die Parteien sollen darüber hinaus sicherstellen, dass ihre Vertreter sich an die Verhaltensrichtlinien halten, die der Schiedsordnung als Annex beigefügt sind (General Guidelines for the Parties’ Legal Representatives).
Den Vertretern ist es verboten, die Entscheidung des Schiedsgerichts zu verzögern, zu verhindern oder sonst zu gefährden. Sie sollen die Ernennung von Schiedsrichtern oder die Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht grundlos in Frage stellen. Die Abgabe von falschen oder unwahren Erklärungen oder das Zurückhalten von relevanten Informationen werden ausdrücklich untersagt.
Ebenso dürfen die Vertreter nicht versuchen, mit einem Mitglied des Schiedsgerichts oder des LCIA Court einseitig Kontakt aufzunehmen, ohne dies zuvor oder unmittelbar nach der Kontaktaufnahme gegenüber den anderen Verfahrensbeteiligten offenzulegen. Damit folgt die neue LCIA-Schiedsordnung dem Trend, das Augenmerk auch auf das Verhalten der Parteien und deren Vertreter zu legen. Dieser Trend hatte sich zuerst in den (unverbindlichen) IBA Guidelines on Party Representation in International Arbitration von Mai 2013 niedergeschlagen.
Sanktionierungsmöglichkeiten des Schiedsgerichts
Verstoßen die Parteien oder ihre Vertreter gegen die Verhaltensrichtlinien oder die Grundsätze des Schiedsverfahrens, kann das Schiedsgericht nun auch Sanktionen aussprechen. Die Möglichkeiten sind der schriftliche Verweis (Written Reprimand) und die schriftliche Verwarnung (Written Caution), um zukünftiges regelkonformes Verhalten im Schiedsverfahren anzumahnen oder Handlungen zu untersagen, die gegen die Verhaltensrichtlinien der LCIA verstoßen. Das Schiedsgericht kann bei der Entscheidung über die Verteilung der Kosten das Verhalten der Parteien und etwaige Verstöße gegen die Richtlinien berücksichtigen.
Mitspracherecht des Schiedsgerichts bei der Parteivertretung
Bemerkenswert ist die Regelung, dass jede Änderung und Erweiterung des Kreises der Parteivertreter zuvor durch das Schiedsgericht genehmigt werden muss.
Die Einführung von Online-Standardformularen
Die LCIA stellt Standardformulare für Anträge auf Durchführung eines Schiedsgerichtsverfahrens (Request for Arbitration) und die Erwiderung des Schiedsbeklagten (Response) online zur Verfügung, die elektronisch oder per Briefform eingereicht werden können.
Die Verfahrenszusammenlegung (Consolidation) wird vereinfacht
Mit Genehmigung des LCIA Court können zwei oder mehrere Schiedsverfahren einfacher zusammengelegt werden, wenn sie unter derselben oder einer kompatiblen Schiedsabrede eingeleitet wurden und sich noch keine anderen Schiedsgerichte konstituiert haben (oder gerade dabei sind, gebildet zu werden), außer in den Fällen, in denen die gleichen Schiedsrichter ernannt worden sind.
Eine Sperrklausel für den Gang vor staatliche Institutionen
Nach Bildung des Schiedsgerichts sollen die Parteien nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Schiedsgerichts vor einem staatlichen Gericht oder einer Rechtsbehörde Ansprüche erheben. Dies gilt auch für Sicherungsmaßnahmen bezüglich der Rechtsberatungskosten und der Kosten aus dem Schiedsverfahren selbst.
Das Erstellen eines Zeitplans (Fixed Timeline) für die Entscheidung
Nach dem letzten Parteivortrag müssen die Schiedsrichter einen klaren Fahrplan für die Entscheidung der Sache vorlegen.
Mit den vorliegenden Neuerungen hat der LCIA in London auf die neuesten Entwicklungen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit reagiert und geht damit auf die Bedürfnisse seiner Teilnehmer für ein rationales, schnelleres und kostengünstigeres Verfahren ein. Mit der Einführung von Sanktionsmöglichkeiten gegen die Parteien und ihre Vertreter hat die LCIA in der Frage der Stärkung des Schiedsgerichts eine Vorreiterrolle übernommen.